AMB 2013, 47, 28b
Sofosbuvir – ein neuer direkt antiviraler Wirkstoff zur Behandlung der chronischen Hepatitis C
In Deutschland sind ca. 500.000 Menschen mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert. Die Hepatitis C ist die häufigste der klinisch relevanten chronischen Virusinfektionen. Wir haben in den letzten Jahren mehrfach über neue Wirkstoffe zur Therapie der chronischen Hepatitis C berichtet (Boceprevir, Telaprevir, Asunaprevir, Daclatasvir; 1). Trotz deutlicher Fortschritte wird bei ca. 30% der zuvor unbehandelten Patienten mit chronischer Hepatitis C Genotyp 1 und bei ca. 70% der „Non-Responder” keine anhaltende Viruselimination (SVR = Sustained Virologic Response) erreicht. In diesem attraktiven Segment der Behandlung der Hepatitis C versuchen pharmazeutische Unternehmer – leider auch mittels unübersichtlicher Studien in renommierten Fachzeitschriften – neue Wirkstoffe auf den Markt zu bringen. Wir wollen dies exemplarisch an einem Beispiel aus dem N. Engl. J. Med. zeigen (2).
Der neue, direkt wirkende Nukleotid-Polymerase-Inhibitor Sofosbuvir (früher GS-7977) wurde jetzt in einer offenen Studie mit acht (!) kleinen Patientengruppen eingesetzt. Die Studie wurde von den Sponsoren Pharmasset und Gilead in Zusammenarbeit mit dem Studienleiter entworfen und durchgeführt. Es wurden 40 vorher unbehandelte Patienten mit den Hepatitis-C-Genotypen 2 oder 3 in vier Gruppen randomisiert. In allen vier Gruppen dieses Teils der Studie erhielten die Patienten 400 mg Sofosbuvir einmal täglich oral plus Ribavirin 12 Wochen lang. Drei dieser vier Gruppen erhielten zusätzlich Peginterferon entweder vier (Gruppe 1; n = 9), acht (n = 10; Gruppe 2) oder zwölf (n = 11; Gruppe 3) Wochen lang und eine Gruppe kein Interferon (n = 10; Gruppe 4). Eine weitere Gruppe (Gruppe 5) mit chronischer Hepatits C Genotyp 2 oder 3 bekam eine Monotherapie mit Sofosbuvir zwölf Wochen lang (n = 10; Gruppe 5) und eine andere Sofosbuvir acht Wochen lang kombiniert mit Ribavirin und Peginterferon (n = 10; Gruppe 6). Zusätzlich wurden dann noch in zwei Gruppen Patienten mit chronischer Hepatitis-C-Infektion mit dem Genotyp 1 zwölf Wochen lang mit Sofosbuvir plus Ribavirin behandelt. Die eine Gruppe bestand aus bis dato unbehandelten Patienten (n = 25; Gruppe 7), die andere aus Non-Respondern (n = 10; Gruppe 8). Wir finden, dass man bei diesen vielen Gruppen leicht die Übersicht verliert. Außerdem stellt sich bei so kleinen Gruppen auch die Frage nach der Aussagekraft der Ergebnisse. Ein klares Therapieziel wurde nicht definiert, es sollte aber über die anhaltende Viruselimination nach 24 Wochen berichtet werden. Neben dem unübersichtlichen Aufbau der Studie fällt auch eine sehr tendenziöse Darstellung der Ergebnisse auf.
So wird zunächst suggeriert, dass durch Sofosbuvir bei 100% der 40 Patienten in den ersten vier Gruppen eine SVR erreicht wird. Fast nebenbei wird erwähnt, dass diese auch Ribavirin (n = 10) und Peginterferon sowie Ribavirin (n = 30) zusätzlich bekommen hatten. Hier ist zu erwähnen, dass in dieser Gruppe mit der chronischen Genotyp-2/3-Infektion eine SVR – auch ohne Sofosbuvir – mit der bisherigen Standardtherapie in der gleichen Größenordnung erreicht wird (3). Auch wieder nur in einem Nebensatz wird das eigentlich wichtigste Ergebnis dieser Studie erwähnt, dass nämlich nur sechs von zehn Patienten mit Genotyp 2/3 unter Sofosbuvir-Monotherapie eine SVR hatten. Damit liegt die Ansprechrate deutlich unterhalb der Standardtherapie (3). Die Sequenzierung des Hepatitis-C-Genoms bei diesen vier Patienten mit Rückfall zeigten Mutationen, die wahrscheinlich zur Resistenz gegenüber Sofosbuvir geführt haben. Die Ergebnisse bei den Patienten mit Genotyp-1-Infektion entsprachen denen, die wir über die Wirksamkeit der neuen Protease-Inhibitoren referiert haben (1). In der wichtigen Gruppe der Non-Responder mit Genotyp 1 Infektion zeigte nur einer von zehn Patienten eine anhaltende Elimination des Virus (SVR = HCV-RNA < 15 IU/ml). Somit erscheint die Behandlung dieser wichtigen Patientengruppe mit Ribavirin plus Sofosbuvir der Behandlung Standardtherapie und Proteaseinhibitoren unterlegen zu sein.
Die Patienten, die in Kombination mit Sofosbuvir behandelt wurden, berichteten über eine Reihe von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW), z.B. Kopfschmerzen, Übelkeit, Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Hautausschlag und Anämie. Diese UAW traten etwa im gleichen Ausmaß auch bei Patienten auf, die ausschließlich mit Sofosbuvir behandelt wurden.
Fazit: In der hier besprochenen Studie mit acht kleinen Gruppen ergab eine Therapie mit dem neuen Nukleotid-Polymerase-Inhibitor Sofosbuvir – in Europa noch nicht zugelassen – bei Patienten mit chronischer Hepatitis C keinen Zusatznutzen gegenüber den bisher etablierten Therapien. Möglicherweise können künftige Studien mit größeren Patientenzahlen zeigen, dass sich dieser Wirkstoff in Kombination mit Ribavirin für solche Patienten mit chronischer Hepatitis C eignet, die eine Kontraindikation für Interferon haben.
Literatur
- AMB 2009, 43,36 ; AMB 2010, 44, 68 ; AMB 2011,45, 44 ; AMB 2011, 45, 51 ; AMB 2012, 46,11a.
- Gane, E.J.,et al.: N. Engl. J. Med. 2013, 368, 34.
- Ghany, M.G.,et al.: Hepatology 2009, 49, 1335.
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