AMB 2013, 47, 08
Rezidiv oder Reinfektion bei wiederkehrendem Erythema migrans?
Wir haben über Therapie und Prophylaxe der Lyme-Borreliose wiederholt berichtet (1). Das Erythema migrans ist die häufigste Manifestation dieser bakteriellen Infektion. Bei unbehandelten Patienten kann es spontan verschwinden und wieder auftreten, bei nicht adäquat antibiotisch behandelten Patienten kann es sich zunächst bessern und danach wieder verschlechtern. Von Ärzten, besonders aber von Patientengruppen wurde in den letzten Jahren immer wieder über eine „chronische Lyme-Borreliose“ berichtet, obwohl die akute Infektion bei diesen Patienten adäquat antibiotisch behandelt worden war (vgl. 2). Eine Reihe unerklärter Symptome – chronische Schmerzen, starke Müdigkeit, neurokognitive und psychische Veränderungen – wurden dieser Verdachtsdiagnose zugeordnet. Dies führte zu oft monatelangen, meist erfolglosen Behandlungen mit Antibiotika. Eine Persistenz des Erregers beim Menschen nach adäquater antibiotischer Therapie ist bisher nicht nachgewiesen (s.a. Kommentar bei 3). Als Hinweis auf eine mögliche Persistenz des Erregers wurden Patienten angeführt, bei denen erneut und zum Teil mehrfach ein Erythema migrans aufgetreten war. Hierzu wurde nun eine molekularbiologische Untersuchung der isolierten Erreger vorgelegt (4).
Neun Männer und acht Frauen (im Median 47 Jahre alt) mit rezidivierendem Erythema migrans trotz jeweils erfolgreicher antibiotischer Therapie wurden aus einer prospektiven Studie zwischen 1991-2011 in den USA (New York State) ermittelt. Drei dieser Patienten hatten drei, einer sogar vier aufeinanderfolgende Episoden, die anderen zwei. Zwischen den Episoden lagen im Median vier Jahre. Von allen Patienten lagen positive bakterielle Kulturen von der Haut oder aus dem Blut vor. In den Kulturen konnte jeweils nur ein Stamm von B. burgdorferi, niemals zwei oder mehrere Stämme nachgewiesen werden. Die jeweiligen Stämme wurden molekularbiologisch charakterisiert, insbesondere hinsichtlich des äußeren Hüllproteins C (ospC). Zusätzlich wurden Bereiche aus der ribosomalen RNS (16S-23S) sequenziert.
Bei diesen Patienten waren die Hüllproteine der Erreger beim ersten und zweiten Auftreten des Erythema migrans immer unterschiedlich. Auch die Analyse der ribosomalen RNS ergab unterschiedliche Bakterienstämme bei jeder erneuten Episode. Bei einem Patienten wurden identische Genotypen beim ersten und dritten Erythema migrans, nicht aber beim zweiten und vierten gefunden.
Wenn bei einem Erythema migrans – wie empfohlen – sehr früh adäquat antibiotisch behandelt wird, werden offenbar keine vor einer Neuinfektion schützenden Antikörper gebildet.
Fazit: Die Ergebnisse dieser molekularbiologischen Studie zur Lyme-Borreliose sprechen dafür, dass Patienten, bei denen trotz jeweils adäquater und erfolgreicher antibiotischer Therapie wiederholt Episoden eines Erythema migrans auftreten, sich neu mit B. burgdorferi infiziert haben und nicht dafür, dass der Erreger vorausgegangener Infektionen persistiert.
Literatur
- AMB 2005, 39, 71b . AMB 2005, 39, 33 . AMB 2006, 40, 78 . AMB 2009, 43, 52a.
- Feder,H.M., et al.: N. Engl. J. Med. 2007, 357, 1422.
- Steere,A.C.: N. Engl. J. Med. 2012, 367, 1950.
- Nadelman,R.B., et al.: N. Engl. J. Med. 2012, 367, 1883.
Schlagworte zum Artikel:
Erythema migrans, Lyme-Borreliose, Zecken, Zeckenbiss,
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Eine zweiwöchige antibiotische Therapie der Neuroborreliose ist ausreichend 2007, 41, 52b
Wie Impfstoffe durch Verantwortungslosigkeit, wissenschaftliches Fehlverhalten und gezielte Desinformation in Misskredit gebracht wurden 2007, 41, 29
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Kontrollierter Behandlungsversuch mit Antibiotika bei Patienten mit persistierenden Symptomen trotz lege artis behandelter Borreliose 2001, 35, 63a
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Impfung gegen Borreliose 1998, 32, 69b
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