AMB 2012, 46, 04a
Niedermolekulares Heparin bei akut kranken internistischen Patienten im Krankenhaus – keine Senkung der Letalität
Venöse Thromboembolien sind eine gefürchtete Komplikation bei Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden (1). Es wird geschätzt, dass ohne medikamentöse Thromboseprophylaxe 10-20% der internistischen und 40-60% der Patienten nach größeren orthopädischen Eingriffen eine tiefe Beinvenenthrombose entwickeln (2). Bei beiden Patientengruppen kann diese Komplikation durch eine medikamentöse Thromboseprophylaxe vermindert werden (2, 3), bei chirurgischen Patienten darüber hinaus auch Lungenembolien und Todesfälle unterschiedlicher Ursachen (4). Eine Metaanalyse von fünf Studien ergab Hinweise, dass durch die medikamentöse Thromboseprophylaxe bei internistischen Patienten zwar die Zahl von Lungenembolien gesenkt werden kann, nicht aber die der Todesfälle (5). Trotz dieser nicht eindeutigen Datenlage empfehlen die meisten Richtlinien eine Thromboseprophylaxe bei akut kranken internistischen Patienten im Krankenhaus (2, 6). In einer aktuellen Studie wurde nun der wichtigen Frage nachgegangen, ob durch eine medikamentöse Thromboseprophylaxe bei akut kranken internistischen Krankenhauspatienten Todesfälle verringert werden (7).
Hierzu wurden multizentrisch 8.307 internistisch kranke Patienten in zwei Gruppen randomisiert und doppeltblind prospektiv mit dem niedermolekularen Heparin Enoxaparin (40 mg/d s.c.) plus Kompressionstrümpfen bzw. mit Plazebo plus Kompressionsstrümpfen 10 ± 4 Tage lang behandelt. Die Patienten waren 40 Jahre oder älter und lebten in China, Indien, Korea, Malaysia, Mexiko, den Philippinen und Tunesien. Sie litten an dekompensierter Herzinsuffizienz, schweren systemischen Infektionen aber auch Krebserkrankungen. Der primäre Endpunkt der Studie war Tod während 30 Tagen nach Beginn der Teilnahme. Der primäre Sicherheitsendpunkt der Intervention war das Auftreten großer Blutungen während der Behandlung bis zu 48 Stunden danach.
Die Letalität innerhalb von 30 Tagen nach Beginn der Intervention war 4,9% in der Enoxaparin- und 4,8% in der Plazebo-Gruppe (Risiko-Ratio = RR: 1,0; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,8-1,2; p = 0,83). Große Blutungen traten bei 0,4% der Patienten in der Enoxaparin- und bei 0,3% in der Plazebo-Gruppe auf (RR: 1,4; CI: 0,7-3,1; p = 0,35). Durch Enoxaparin konnte also die Letalität bei diesen akut kranken internistischen Krankenhauspatienten nicht gesenkt werden.
Die Studie hat allerdings einen Schwachpunkt. Die Teilnehmerzahl wurde auf eine erwartete Letalität von 7% berechnet. Tatsächlich betrug sie aber nur 5%. Dadurch verringerte sich die „statistische Power” auf nur noch 77%, um eine 25%ige Reduktion der Letalität durch die Intervention zu entdecken. Allerdings war die Letalität an den Tagen 14, 30 und 90 in beiden Gruppen gleich hoch, was doch dafür spricht, dass das niedermolekulare Heparin die Gesamtletalität nicht beeinflusst hat. Tatsächlich konnten nur ein Todesfall in der Kontroll- und zwei in der Enoxaparin-Gruppe auf eine Lungenembolie zurückgeführt werden. Möglicherweise werden durch Heparin bei internistischen Patienten nicht so sehr Lungenembolien, sondern eher Myokardinfarkte verhindert. Dies könnte den Vorteil von Heparin in anderen Studien erklären (4). Unterschiede in der Inzidenz von Lungenembolien zwischen Asiaten und Europäern könnten ebenfalls theoretisch zu diesem Ergebnis beigetragen haben, obwohl in neueren Untersuchungen kein großer Unterschied gefunden wurde (8, 9). Das Ziel dieser Studie war es allerdings nicht, zu widerlegen, dass Enoxaparin bei asymptomatischen tiefen Beinvenenthrombosen die Inzidenz von Lungenembolien verringert (3, 12). Ein möglicher positiver Effekt von Heparin bei diesen Patienten auf eventuelle spätere Komplikationen, z.B. postthrombotisches Syndrom oder thromboembolisch verursachte pulmonale Hypertonie, wurden in dieser Studie nicht untersucht.
Die Wirksamkeit des Tragens von Kompressionsstrümpfen allein zur Thromboseprophylaxe sollte nicht unterschätzt werden. In mehreren Studien wurden tiefe Beinvenenthrombosen auch bei chirurgischen Patienten mit moderatem Risiko für Thrombosen dadurch reduziert (10, 11).
Fazit: In dieser großen prospektiven plazebokontrollierten Studie (LIFENOX) konnten s.c. Injektionen des niedermolekularen Heparins Enoxaparin (zehn Tage lang je 40 mg/d) die 30-Tage-Letalität bei akut kranken internistischen Krankenhauspatienten nicht senken.
Literatur
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