AMB 2012, 46, 95a
Metformin oder Sulfonylharnstoffe? Kardiovaskuläre Endpunkte bei Typ-2-Diabetikern
Metformin hat durch die Ergebnisse der britischen UKPDS-Langzeitstudien eine Renaissance erlebt. Es schnitt tendenziell besser ab als Insulin oder Sulfonylharnstoffe bezüglich der wichtigsten Therapieziele bei Diabetikern, der Verhinderung zukünftiger kardiovaskulärer (kv) und anderer Komplikationen (1, 2). Es gibt keine größeren randomisierten Langzeitstudien, die z.B. kv Ereignisse bei Diabetikern, die schwerpunktmäßig mit Metformin (M) oder Sulfonylharnstoffen (SH) behandelt werden, direkt miteinander vergleichen.
Von der US Veterans Health Administration (VHA) finanziell unterstützte Autoren (3) versuchten jetzt diesen Vergleich durch Auswertung umfangreicher Dateien und Register der VHA. Die VHA erfasst überwiegend männliche Militär-Veteranen. In einer Kohortenstudie mit insgesamt 253.690 Patienten, die zwischen 2001 und 2008 eine Monotherapie mit M (n = 155.025) oder SH (Glibenclamid = Glyburid oder Glipizid; n = 98.655) begonnen hatten, wurde die Inzidenz kv Ereignisse (Herzinfarkt, Schlaganfall) und Tod als „Composite outcome” in den folgenden Jahren ermittelt.
Wurden alle Patienten dieser Kohorten ohne Berücksichtigung persönlicher Besonderheiten („Confounders”) zusammengefasst, dann ergab sich bei SH-Patienten eine Inzidenz der Ereignisse von 18,2 pro 1000 Patientenjahre, für M-Patienten von 10,4 pro 1000 Patientenjahre. Auch nach Adjustierung unter Berücksichtigung vieler Faktoren wie Alter, Gewicht, Komedikation und kv Vorerkrankungen blieb der Unterschied zwischen den Endpunkten bei M- und SH-Patienten signifikant. Die Hazard Ratio (HR) für Glibenclamid betrug nach mehrfacher Adjustierung im Vergleich mit M 1,26 (95%-Konfidenzintervall: 1,16-1,37), für Glipizid 1,15 (1,06-1,26). Diese Unterschiede sind signifikant.
Die Autoren und auch der diese Arbeit lobende Kommentator, S.E. Nissen aus Cleveland (Ohio), dessen Metaanalyse Rosiglitazon zu Fall gebracht hat (vgl. 4), betonen, dass man allerdings nicht weiß, ob nun SH das kv-Risiko im Vergleich mit einer fiktiven anders behandelten Vergleichsgruppe erhöht oder ob M es reduziert. Im Vergleich schneidet M jedoch besser ab als die SH-Gruppe (5).
In einem gesonderten Editorial für Patienten (6) erläutern die Herausgeber der Ann. Intern. Med. die Ergebnisse dieser Studie. Den letzten Satz dieser Stellungnahme können wir als Fazit benutzen.
Fazit: Metformin scheint Herzattacken, Schlaganfälle und Todesfälle besser zu verhindern als Glibenclamid oder Glipizid. Metformin sollte in der Regel von neu diagnostizierten Diabetikern, die einer medikamentösen Therapie bedürfen, als erstes angewendet werden. – Diese Empfehlung entspricht der heutigen Praxis und bestätigt sie.
Literatur
- AMB 2008, 42,94.
- AMB 2009, 43,57.
- Roumie, C.L., et al.:Ann. Intern. Med. 2012, 157, 601.
- AMB 2012, 46,87.
- Nissen, S.E.: Ann.Intern. Med.2012, 157, 671.
- Anonymus:Ann. Intern. Med. 2012, 157, I-28.
Schlagworte zum Artikel:
Angina pectoris, Akutes Koronarsyndrom, Antidiabetika, Apoplektischer Insult, Arteriosklerose, Diabetes mellitus Typ 2, Glibenclamid, Glipizid, Glyburid, Herzinfarkt, Hirninfarkt, Koronare Herzkrankheit, Metformin, Myokardinfarkt, Orale Antidiabetika, Schlaganfall, Sulfonylharnstoffe,
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