AMB 2012, 46, 83
Hormonersatz-Therapie in der frühen Postmenopause: Neues aus Dänemark
Langzeit-Abonnenten des AMB erinnern wir an unsere Hauptartikel zum Thema Hormonersatz-Therapie (HRT) in der Peri- und Postmenopause aus den Jahren 2001 und 2006 (1, 2). Damals konnte aus den Ergebnissen der nordamerikanischen Women’s Health Initiative (WHI), der britischen Million Women Study und der Heart and Estrogen/progestin Replacement Study (HERS-Studien; 1, 2) geschlossen werden, dass postmenopausal eingenommene Östrogene oder Östrogene/Gestagene nicht geeignet sind, Arteriosklerose und deren Folgen (Herzinfarkte, Schlaganfälle) zu reduzieren. Dies war aus früheren nicht-randomisierten Beobachtungsstudien abgeleitet worden. Vielmehr erhöhte die HRT in den WHI-Studien das Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle, venöse Thrombosen, Lungenembolien und Brustkrebs (3).
Leider hat die WHI-Gruppe erst fünf Jahre später ihre Ergebnisse getrennt nach Altersgruppen zu Studienbeginn der ca. fünfjährigen hormonellen prophylaktischen Intervention veröffentlicht (4). Es ergab sich, dass bei den Frauen, die bald nach Eintritt der Menopause mit der HRT begonnen hatten, die Inzidenz von Herzinfarkten und Schlaganfällen bei Anwendung von Östrogenen allein (nach Hysterektomie) tendenziell niedriger war als in der Plazebo-Gruppe. Bei Östrogen-/Gestagen-Anwendung (bei intaktem Uterus) war sie gering erhöht. In höheren Altersgruppen hingegen (Frauen zwischen 50 und 79 Jahren) erhöhte die HRT die Inzidenz dieser Ereignisse. Hieraus wurde eine sog. Timing-Hypothese abgeleitet. Diese besagt, dass Östrogene bei relativ jungen postmenopausalen Frauen ohne arteriosklerotische Gefäßveränderungen die Entwicklung einer Arteriosklerose retardieren können, während Östrogene bei bereits vorhandenen Gefäßveränderungen im höheren Alter durch ihre prothrombotische Wirkung die Entstehung von Herzinfarkten und ischämischen Schlaganfällen begünstigen.
Diese Einleitung soll nicht-spezialisierten Lesern das Verständnis einer kürzlich veröffentlichten Studie aus Dänemark erleichtern.
Schierbeck et al. (5) begannen 1990, also lange vor Veröffentlichung der o.g. negativen Studienergebnisse zur HRT, eine prospektive Untersuchung zum Effekt der HRT auf Osteoporose (Haupt-Endpunkt) und auf kardiovaskuläre Ereignisse als Nebenaspekt. Von ca. 47.000 angeschriebenen Frauen im Alter von 48-58 Jahren waren 2.016 geeignet und willens teilzunehmen. Davon wurden aber nur 1.010 Frauen in eine prospektive, offene, randomisierte kontrollierte Studie mit Rekrutierung zwischen 1990 und 1993 aufgenommen. Die Methode der Randomisierung ist an anderer Stelle veröffentlicht (6). Die letzte Menstruationsblutung durfte nicht länger als 24 Monate zurückliegen. Nur ein Teil der Frauen hatte klimakterische Beschwerden. Frauen der Verum-Gruppe ohne Uterus (n = 95) nahmen 2 mg 17-Beta-Östradiol/d kontinuierlich ein, solche mit intaktem Uterus (n = 407) nahmen 2 mg 17-Beta-Östradiol plus zusätzlich 1 mg Norethisteron-Azetat von Tag 13-23 ein, gefolgt von sechs Tagen mit 1 mg 17-Beta-Östradiol allein (keine Einnahmepausen). Norethisteron ist ein Gestagen mit relativ starker androgener Partialwirkung. Frauen, die diese HRT nicht vertrugen, konnten auf ein anderes Präparat umgestellt werden. Die Studie war für eine Dauer von 20 Jahren geplant.
Nach Bekanntwerden der negativen WHI-Daten vor ca. 10 Jahren wurde die Interventionsstudie mit Nachuntersuchungen der Probandinnen nach 1, 2, 3, 5 und 10 Jahren formal beendet. Jedoch wurden über ein nationales Erkrankungs- und Sterberegister in Dänemark, das fast alle Staatsbürger/-innen erfasst, weitere 5-6 Jahre lang die kardiovaskulären Erkrankungen, Erkrankungen an Krebs allgemein und Brustkrebs speziell sowie die Letalität ermittelt.
Ergebnisse nach 10 Jahren Intervention: Nur 75% der Frauen in der Interventionsgruppe hatten die Hormone regelmäßig genommen. Bei diesen war die mittlere Einnahme-Adhärenz 80%. In der Auswertung wurden aber alle Probandinnen berücksichtigt (Intention to treat). In fast jeder Hinsicht (Tod, kardiovaskulär verursachter Tod, Herzinsuffizienz, Herzinfarkt, Brustkrebs) deuten die Ergebnisse auf einen günstigen Effekt der HRT hin, beim kombinierten Endpunkt Tod oder Herzinfarkt oder stationäre Krankenhausaufnahme wegen Herzinsuffizienz war der Unterschied zu den Kontrollen sogar formal signifikant (s. Tab. 1). Ähnliche Ergebnisse waren dem nationalen dänischen Erkrankungs- und Sterberegister 16 Jahre nach Beginn der Intervention zu entnehmen (s. Tab. 2). Beinvenenthrombosen waren nach 10 Jahren extrem selten. Die niedrige Thromboseinzidenz und der fehlende thrombogene Effekt der HRT, der bisher in allen kontrollierten und Beobachtungsstudien festgestellt wurde, verwundert. Nach Ansicht der Autoren könnte das darauf zurückzuführen sein, dass 17-Beta-Östradiol weniger thrombogen sein soll als konjugierte Östrogene.
Aus unserer Sicht ist ein entscheidendes Manko dieser Studie die geringe statistische „Power” wegen der kleinen Teilnehmerzahl. Zudem stellt sich die Frage nach der methodischen Strenge der initialen Randomisierung. Immerhin wurden aber in den ersten 10 Jahren der Studie die interkurrenten Ereignisse und Endpunkte durch regelmäßige Untersuchungen der Probandinnen erfasst. Sofern der Erfassung der Endpunkte vertraut werden kann, lässt die Studie zumindest den Schluss zu, dass eine HRT mit 17-Beta-Östradiol oder mit 17-Beta-Östradiol/Norethisteron nicht mit einer deutlichen Risikoerhöhung für kardiovaskuläre Ereignisse (und Brustkrebs?) assoziiert ist. Das sollte aber auf keinen Fall dazu führen, einer peri-/postmenopausalen Frau, die keine wesentlichen klimakterischen Beschwerden hat, aus „protektiver” Indikation eine HRT zu empfehlen. Dafür wiegen die negativen Studienergebnisse zur HRT von vor 10 Jahren, die zu einem Paradigmenwechsel in der Therapie geführt haben, zu schwer.
In den USA wurde im Jahr 2005 von „non believers” in den eher negativen Effekt der postmenopausalen HRT die „Kronos Early Estrogen Prevention Study” (KEEPS) begonnen, in die 720 früh-postmenopausale Frauen eingeschlossen werden sollten (7). Ergebnisse wurden für 2010 angekündigt. Bisher sind aber nur verschiedene Studien zu Surrogat-Parametern wie z.B. Entwicklung von Koronar-Kalk erschienen. Für eine zuverlässige Evaluierung klinischer Endpunkte wird diese Studie aber auch zu klein sein.
Wir empfehlen unseren Lesern, sich weiterhin an die von uns im Review von 2006 (2) gegebenen Empfehlungen zur systemischen HRT und zur lokalen, vaginalen Östriol-Therapie zu halten, die mit den aktuellen, 2009 revidierten Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe weitgehend übereinstimmen (8).
Fazit: Eine schon 1990 begonnene Studie aus Dänemark zur Hormonersatz-Therapie bei Frauen in der frühen Postmenopause mit einer Laufzeit von 10 Jahren und mit 5 Jahren Nachbeobachtung ergab weniger Herzinfarkte, Todesfälle und stationäre Aufnahmen wegen Herzinsuffizienz als in der unbehandelten Kontroll-Gruppe – allerdings statistisch signifikant nur bei Auswertung als kombinierter Endpunkt. Die Studie hat jedoch mit ca. 500 Probandinnen in jeder Gruppe und unverblindetem Design unseres Erachtens keine ausreichende statistische Power. Sie sollte keinesfalls dazu führen, dass postmenopausale Frauen ohne wesentliche klimakterische Beschwerden nun wieder viele Jahre lang mit Östrogen-Präparaten im Sinne von Anti-Aging behandelt werden.
Literatur
- AMB 2001, 35,17.
- AMB 2006, 40,57.
- AMB 2002, 36,68.
- AMB 2007, 41,85.
- Schierbeck, L.L., et al. (DOPS= Danish Osteoporosis Prevention Study): BMJ 2012, 345, e6409.
- Mosekilde, L., et al.:Maturitas 2000, 36, 181.
- Harman, S.M., et al.(KEEPS = Kronos Early Estrogen Prevention Study):Climacteric 2005, 8, 3.
- http://www.dggg.de/fileadmin/public_docs/Leitlinien/2-1-4-ht-lang-hp.pdf
Schlagworte zum Artikel:
DOPS-Studie, Estrogene, Estrogene/Gestagene, Gestagene, Hormonersatz-Therapie, HRT, Klimakterium, Menopause, Östrogene, Östrogene/Gestagene, Postmenopause,
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