AMB 2011, 45, 86a
Frühe versus späte antiretrovirale Therapie bei erwachsenen Patienten mit HIV-Infektion und Tuberkulose
Die antiretrovirale Therapie hat zu einer deutlichen Besserung der Morbidität und Letalität bei Patienten mit HIV-Infektion geführt (1). Die Tuberkulose (Tbc) ist jedoch weiterhin eine wichtige und häufige Todesursache bei diesen Patienten (2-4). Der optimale Zeitpunkt des Beginns der antiretroviralen Therapie bei gleichzeitiger Tbc ist bisher nicht genau definiert (4). Argumente für einen späteren Start der antiretroviralen Therapie waren bisher:
· die additiven toxischen Wirkungen der Tuberkulose- und HIV-Therapie,
· das erhöhte Risiko eines Inflammatorischen Immunrekonstitutions-Syndroms (IRIS; vgl. 4),
· die mangelnde Adhärenz der Patienten bei den vielen Tabletten.
Argumente für einen früheren Start der HIV-Therapie waren:
· schnellere Immunrekonstitution und bessere Abwehr der Tuberkulosebakterien,
· Verminderung des Risikos anderer opportunistischer Infektionen.
Eine Studie hatte bereits gezeigt, dass bei Patienten mit CD4+ T-Zellen < 500/μl ein Start der antiretroviralen Therapie schon während der antituberkulösen Behandlung einen Überlebensvorteil bringt (4, 5). Eine weitere Studie fand, dass die Überlebenschancen noch weiter verbessert werden können, wenn die antiretrovirale Therapie schon innerhalb der ersten zwei Monate der antituberkulösen Behandlung begonnen wird (6). Nun wurde ein noch früherer Beginn der antiretroviralen Therapie bei solchen Patienten untersucht (7).
In diese prospektive, randomisierte, multizentrische Studie (7) wurden 661 Patienten aus Kambodscha eingeschlossen mit neu diagnostizierter Tbc, die mit dem HIV infiziert und unbehandelt waren und mit den CD4+ T-Zellen < 200/μl lagen. Alle Patienten erhielten eine antituberkulöse Standardtherapie und nach zwei (frühe Gruppe) oder nach acht Wochen (späte Gruppe) eine Anti-HIV-Standardtherapie, bestehend aus Stavudin (Zerit®) plus Lamivudin (Epivir®, Zeffix®) plus Efavirenz (Sustiva®). Die Patienten wurden im Median 35 Monate nachverfolgt. Der zuvor festgelegte Studienendpunkt war Tod.
Das Risiko zu sterben war in der frühen Gruppe niedriger (59 Tote von 332 Patienten = 18%) als in der späten Gruppe (90 Tote von 329 Patienten = 27%; p = 0,006). Das Risiko für ein IRIS war in der frühen Gruppe jedoch höher. Der mediane Zugewinn an CD4+ T-Zellen war in den Gruppen gleich und betrug 114/μl (Woche 50 nach Start). Das Virus war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Blut nachweisbar.
Fazit: Bei erwachsenen Patienten mit unbehandelter HIV-Infektion (CD4+ T-Zellen < 200/μl) und neu diagnostizierter Tbc führt ein früher Beginn der antiretroviralen Therapie, d.h. bereits zwei Wochen nach Beginn der antituberkulösen Therapie, zu einer Verbesserung der Überlebenschancen.
Literatur
- Palella, F.J., et al. (HOPS = HIV OutPatientStudy): N. Engl. J. Med. 1998, 338, 853.
- Mukadi, Y.D., et al.:AIDS 2001, 15, 143.
- Koenig, S.P., et al.:Clin. Infect. Dis. 2009, 48, 829.
- AMB 2010, 44, 27.
- Abdool Karim, S.S., etal.: N. Engl. J. Med.. 2010, 362, 697.
- Velasco, M., et al.(COMESEM = Madrid south-eastern metropolitan crown): J. Acquir. Immune Defic. Syndr. 2009, 50, 148.
- Blanc, F.X., et al. (CAMELIA = CAMbodian Earlyversus Late Introduction ofAntiretrovirals): N. Engl. J.Med. 2011, 365, 1471.
Schlagworte zum Artikel:
AIDS, CAMELIA-Studie, COMESEM-Studie HIV-Infektion, Immunrekonstitutions-Syndrom, Lungentuberkulose, Tuberkulose,
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