AMB 2011, 45, 83

Fertilität nach Chemotherapie. Das Problem junger Frauen mit Mammakarzinom

Das mittlere Alter von Frauen bei Diagnose eines Mammakarzinoms ist etwa 61 Jahre, aber 6% der Patientinnen sind jünger als 40 Jahre. Bei diesen jungen Frauen ist die Prognose des Karzinoms schlechter als bei älteren Frauen, und meist folgt auf die Operation eine Chemo- und/oder Strahlentherapie. Eine Chemotherapie im prämenopausalen Alter erhöht das Risiko für eine primäre Ovarialinsuffizienz durch Zunahme der Apoptose von Oozyten in Primordialfollikeln und Unterbrechung der Follikelreifung (1). Setzt bei einer Frau, die prätherapeutisch regelmäßig menstruiert hat, innerhalb eines Jahres nach Beendigung einer Chemotherapie die Regelblutung nicht wieder ein, spricht das für eine durch die Therapie induzierte vorzeitige Menopause. Bestätigt wird dieser Befund durch ein permanent erhöhtes FSH im Blut und einen sehr niedrigen Wert des sogenannten Anti-Müller-Hormons (AMH). Dieses zeigt die Zahl der noch vorhandenen Eizellen an. Manchmal sind aber auch trotz Amenorrhö die Serum-Spiegel von Estradiol noch im prämenopausalen Bereich und das FSH ist nicht erhöht, d.h. die Amenorrhö ist hier nicht immer gleichbedeutend mit zu früher Menopause.

Haben Frauen dieser Altersgruppe bereits Kinder und keinen weiteren Kinderwunsch, dann möchten viele dennoch eine vorzeitige Menopause mit den damit oft verbundenen sexuellen Problemen vermeiden. Sind noch keine Kinder da, dann ist das Problem der Chemotherapie-induzierten Infertilität vordringlich. Dies sollte rechtzeitig und ausführlich vor jeder Chemotherapie mit den Frauen besprochen und eventuell Methoden zur Vermeidung der Infertilität aufgezeigt werden.

Eine Methode, die Aussicht auf Nachwuchs zu verbessern, ist die prätherapeutische laparoskopische Entnahme von Oozyten nach Hormonstimulation der Ovarien. Die Oozyten oder die Embryonen nach In-vitro-Fertilisation (IVF) können dann kryokonserviert werden. Diese Methode mit späterer Einpflanzung in den Uterus ist relativ erfolgreich (2). Sie verzögert aber den Beginn der Chemotherapie und ist nicht immer durchzuführen. Embryonen nach IVF können nur konserviert werden, wenn die Patientin einen männlichen Partner hat.

Eine andere versuchte Methode ist die Unterdrückung der Ovarfunktion während der Chemotherapie durch kontinuierliche Verabreichung von Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH)-Analoga. Hierdurch wird die normalerweise pulsatile Inkretion von FSH und LH durch die Hypophyse und somit auch die Ovarialfunktion unterdrückt. Es bestand die Hoffnung, dass die Ovarien während dieser „Ruhigstellung” weniger durch die Chemotherapie geschädigt werden. Der Wirkmechanismus ist jedoch nicht klar. Mehrere Vergleichsstudien von Chemotherapie versus Chemotherapie plus Goserelin oder Triptorelin (GnRH-Analoga) zeigten widersprüchliche Ergebnisse hinsichtlich Erhaltung der Ovarialfunktion bzw. Fertilität. Werden nur randomisierte Studien berücksichtigt, scheint die GnRH-Therapie nützlich zu sein. Die Ergebnisse sind aber laut einem systematischen Review statistisch nicht signifikant (3).

Im JAMA veröffentlichten L. Del Mastro et al. aus Italien kürzlich die Ergebnisse der in 16 Behandlungszentren durchgeführten PROMISE-GIM-6-Studie, in die 281 Frauen mit Brustkrebs ohne Metastasen im Stadium I bis III zwischen Oktober 2003 und Januar 2008 eingeschlossen wurden (4). Alter: 18 bis 45 Jahre, mittleres Alter 39 Jahre, 66% älter als 40 Jahre. Bei ca. 80% der Frauen waren die Tumore Estrogen- und/oder Gestagen-Rezeptor-positiv. Die meisten dieser Frauen wurden nach Operation und Chemotherapie fünf Jahre lang mit Tamoxifen, einem Estrogen-Rezeptor-Antagonisten, behandelt. Bei ca. 20% waren die Tumore Hormonrezeptor-negativ, so dass keine auf die Mamma zielende antihormonelle Therapie erfolgte.

Alle Frauen wurden zentral in zwei Gruppen randomisiert: Gruppe 1: nur Chemotherapie (median 16 Wochen lang, 6-8 Zyklen, überwiegend Anthrazyklin- oder Taxan-basiert). Gruppe 2: gleiche Chemotherapie und zusätzlich während der gesamten Chemotherapie alle vier Wochen 3,75 mg Triptorelin (GnRH-Analogon; Decapeptyl®, Pamorelin®, Salvacyl®) i.m., beginnend eine Woche vor Chemotherapie. Frauen mit Rezeptor-positiven Brusttumoren, die nach Beendigung der Chemotherapie unter Tamoxifen spontan zu menstruieren begannen, erhielten weitere zwei Jahre lang erneut Triptorelin-Injektionen, vermutlich, um das Ovar vor möglichen toxischen Wirkungen von Tamoxifen zu schützen. Mit anderen Worten: eine komplizierte Studie.

Ergebnisse: Gemessen an dem mehr als einjährigen Ausbleiben der Regelblutung und parallel gemessenen Estradiol- und FSH-Werten im Serum hatte folgender Anteil der Hormonrezeptor-negativen Frauen (n = 51) nach Beenden der Chemotherapie bzw. der Triptorelin-Behandlung eine normale Ovarialfunktion: 74% in Gruppe 1 und 91% in Gruppe 2. Der Gewinn durch die zusätzliche GnRH-Therapie betraf also absolut 17% der Frauen. Bei 226 Hormonrezeptor-positiven Frauen, also der großen Mehrheit, hatten in Gruppe 1 44% und in Gruppe 2 55% wieder regelmäßige Menstruationen. Das heißt, die Hormonrezeptor-positiven Frauen profitierten kaum von der Triptorelin-Therapie. Die schlechteren Ergebnisse in dieser Gruppe könnten auch dafür sprechen, dass die Behandlung mit Tamoxifen ein zusätzliches Risiko für eine vorzeitige Menopause ist.

In einem lesenswerten Editorial von H.S. Rugo und M.P. Rosen aus San Francisco (5) im gleichen Heft von JAMA erfährt man dann, dass die Studie von Del Mastro et al. ursprünglich 420 Patienten einschließen sollte, aber wegen ausbleibender Finanzierung vorzeitig beendet wurde. Diese Autoren heben hervor, dass sich die teilweise positiven Ergebnisse einer zusätzlichen Therapie mit Triptorelin nur auf Frauen mit dem eher seltenen Rezeptor-negativen Brustkrebs beziehen. Bisher fehlen für diese Studie Langzeit-Ergebnisse hinsichtlich Karzinomrezidiven und Letalität. An der Studie ist auch zu kritisieren, dass die Mehrheit der eingeschlossenen Frauen älter als 40 Jahre war und dass die Erhaltung der Fertilität – sie ist nicht gleichbedeutend mit regelmäßigen Monatsblutungen – in dieser Altersgruppe keine große Bedeutung mehr hat. Rugo und Rosen (5) empfehlen jungen Frauen mit Brustkrebs und Kinderwunsch die Kryokonservierung von Oozyten oder Embryonen vor der Chemotherapie als Mittel der Wahl. Einen guten Überblick über dieses Thema gibt auch ein Artikel von E. Petru aus Graz (6).

Fazit: Junge Frauen mit Brustkrebs, bei denen eine Chemotherapie durchgeführt werden muss, haben ein erhöhtes Risiko für Infertilität. Bei Frauen dieser Altersgruppe mit der eher seltenen Rezeptor-negativen Brustkrebsform scheint eine die Ovarialfunktion supprimierende Therapie mit einem GnRH-Agonisten parallel zur Chemotherapie das Risiko einer frühzeitigen Menopause zu reduzieren. Ob diese Therapie auch die Fertilität verbessert, ist nicht klar. Bei Frauen mit der häufigeren, Rezeptor-positiven Form des Mammakarzinoms hatte die Triptorelin-Therapie kaum Erfolg.

Literatur

  1. Warne, G.L., et al.: N.Engl. J. Med. 1973, 289, 1159. Link zur Quelle
  2. Lee, S.J., et al.: J.Clin. Oncol. 2006, 24,2917 Link zur Quelle . Erratum: J. Clin. Oncol. 2006, 24, 5790.
  3. Kim, S.S., et al.: Clin. Obstet.Gynecol. 2010, 53, 740. Link zur Quelle
  4. Del Mastro, L., et al. (PROMISE-GIM6 = PRevention OfMenopause Induced by chemotherapy: A Study in Earlybreast cancer patients-Gruppo Italiano Mammella 6):JAMA 2011, 306, 269. Link zur Quelle
  5. Rugo, H.S., und Rosen,M.P.: JAMA 2011, 306, 312. Link zur Quelle
  6. Petru, E.: Wien. Med. Wochenschr.2010, 160, 487. Link zur Quelle

 

Schlagworte zum Artikel:

Amenorrhö, Brustkrebs, Chemotherapie, Fertilität, Fruchtbarkeit, GnRH, Gonadotropin-Releasing-Hormon, Kinderwunsch, Mammakarzinom, Triptorelin, Zytostatika, Zytostatische Therapie,

 

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