AMB 2013, 47, 21b
Schilddrüsenerkrankungen und neu diagnostiziertes Vorhofflimmern
Etwa 10% der Patienten mit Vorhofflimmern (Vofli) leiden an Hyperthyreose (1). Das ist gut bekannt. Die Pathogenese ist jedoch noch nicht völlig klar. Wie aber ist es umgekehrt betrachtet, d.h. wie ist das gesamte Spektrum der Schilddrüsenfunktion – von Hypothyreose bis Hyperthyreose – mit Vofli assoziiert? Dazu gibt es jetzt eine sehr große Registerstudie aus Kopenhagen (2), deren Ergebnisse an klinische und demographische Daten adjustiert wurden. 586.460 Personen wurden eingeschlossen, deren Schilddrüsenfunktion zwischen dem 1. Januar 2000 und 22. Januar 2010 im Zentrallaboratorium der niedergelassenen Ärzte untersucht worden war. Die Schilddrüsenfunktion wurde eingeteilt in euthyreot, hypothyreot, subklinisch hypothyreot, hyperthyreot und subklinisch hyperthyreot. Während der Nachbeobachtung von insgesamt 3.215.807 Patientenjahren hatten 17.154 Patienten (5,3/1000 Patientenjahre) eine im Krankenhaus erstmals gestellte Diagnose von Vofli. Die Ergebnisse im Einzelnen sind in Tab. 1 wiedergegeben.
Die Schilddrüsenfunktion ist korreliert mit der Inzidenz von Vofli: bei Hyperthyreose häufiger und bei Hypothyreose seltener als bei normaler Funktion. Das ist nicht unerwartet. Die bekannte Sinustachykardie bei Hyperthyreose lässt auf eine größere Erregbarkeit des Herzens und Neigung zu tachykarden Rhythmusstörungen schließen. Interessanter noch als die statistische Bestätigung eines klinischen Befundes sind methodische Aspekte: 1. Eine Registerstudie ist in der Lage – wenn sehr viele Probanden untersucht werden – einen klinischen Eindruck zu reproduzieren und damit zu objektivieren. 2. Epidemiologische Großstudien sind in der Lage, die Realität medizinischer Sachverhalte darzustellen, die in randomisierten kontrollierten Studien aus ethischen oder methodischen Gründen nicht zu erfassen sind. Dazu trägt – wie auch in dieser Untersuchung – die Adjustierung wesentlich bei. Z.B liegen die adjustierten Werte der Häufigkeit von neu diagnostiziertem Vofli in ihrer Assoziation mit der Schilddrüsenfunktion enger zusammen als die nicht adjustierten (s. Tab. 1).
So bestätigt diese Studie nicht nur eine klinische Erfahrung, sondern sie wirft auch ein positives Licht auf die Ergebnisse großer Kohortenstudien, die oft mit Skepsis betrachtet werden. Über mehrere haben wir in den letzten Monaten berichtet, z.B.: ”Betablocker bei koronarer Herzkrankheit” (3), ”Ischämischer Schlaganfall, Myokardinfarkt und venöse Thromboembolie unter hormonalen Kontrazeptiva” (4)”, „Die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen die Schweinegrippe 2009/2010 war in Dänemark gering” (5). Der methodische Goldstandard zum Nachweis erwünschter Wirkungen von Arzneimitteln sind aber randomisierte kontrollierte Studien.
Fazit: Die Inzidenz von (neudiagnostiziertem) Vorhofflimmern ist höher bei Patienten mit manifester und latenter Hyperthyreose und geringer bei Hypothyreose verglichen mit euthyreoten Personen.
Literatur
- Mackenrodt, T., und Scriba,P.C. in: Innere Medizin in Praxis und Klinik. 4. Aufl., Georg Thieme Verlag,Stuttgart, New York.
- Selmer, C., et al.: BMJ2012, 345, e7895.
- AMB 2012, 46,91.
- AMB 2012, 46,57.
- AMB 2012, 46,10.
Schlagworte zum Artikel:
Absolute Arrhythmie, Euthyreose, Herzrhythmusstörungen, Hyperthyreose, Hypothyreose, Rhythmusstörungen, Schilddrüse, Schilddrüsenfunktion, Vorhofflimmern,
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