AMB 2011, 45, 82
Metastasiertes Nierenzellkarzinom: Kombination plus Temsirolimus plus Bevacizumab ist keine Therapieoption
Wir haben über die sechs neuen „zielgerichteten” Wirkstoffe, die seit 2006 zur Behandlung des fortgeschrittenen bzw. metastasierten Nierenzellkarzinoms zugelassen wurden, berichtet und kritisiert, dass für eine rationale Verordnung dieser Arzneimittel wichtige Informationen fehlen, wie z.B. die geeignete Dosierung sowie Studienergebnisse zur vergleichenden Wirksamkeit und optimalen Therapiesequenz (1).
Nun wurden Daten aus der TORAVA-Studie publiziert (2), in der die Wirksamkeit einer experimentellen Kombinationstherapie mit Temsirolimus (Torisel®) und Bevacizumab (Avastin®) im Vergleich zu den zur Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms zugelassenen Erstlinientherapien mit Bevacizumab und Interferon alfa-2a (IFN alfa-2a) bzw. Sunitinib (Sutent®) untersucht wurde.
Das Design dieser offenen, multizentrischen, randomisierten Phase-II-Studie, wurde mit internationalen Experten anlässlich eines Symposiums zum Nierenzellkarzinom 2006 diskutiert und basiert auf der Hypothese, dass Wirkstoffe mit unterschiedlichen Zielstrukturen in Tumorzellen (Angiogenese bzw. Tumorzell-Überleben) additiv oder synergistisch wirken. Bevacizumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der an den Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) bindet, dadurch die VEGF-Wirkung am Rezeptor blockiert und die Angiogenese hemmt (3). Temsirolimus ist ein kompetitiver Hemmer von mTOR (mTOR = mammalian Target of Rapamycin) und beeinflusst Proliferation und indirekt auch Signalwege des VEGF in Tumorzellen (1).
Von März 2008 bis Mai 2009 wurden 171 Patienten mit histologisch gesichertem, metastasiertem Nierenzellkarzinom (alle Subtypen außer papilläres Karzinom) aus 24 französischen Zentren in die TORAVA-Studie eingeschlossen, die vom französischen Gesundheitsministerium und dem Hersteller von Temsirolimus (Wyeth) finanziert wurde. Die Patienten wurden im Verhältnis 2:1:1 in drei Arme randomisiert. Patienten im Arm A (n = 88) erhielten eine Kombination von Bevacizumab (10 mg/kg alle zwei Wochen i.v.) plus Temsirolimus (25 mg/Woche i.v.), im Arm B (n = 42) Sunitinib (50 mg/d vier Wochen lang p.o., dann zwei Wochen Pause) und im Arm C (n = 41) Bevacizumab (10 mg/kg alle zwei Wochen i.v.) plus IFN alfa-2a (9 MU dreimal pro Woche s.c.). Dosisänderungen erfolgten durch die behandelnden Ärzte in Abhängigkeit von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) oder pathologischen Laborwerten. Der primäre Endpunkt der Studie war das progressionsfreie Überleben (PFS) nach 48 Wochen. Sekundäre Endpunkte umfassten die Ansprechrate, das Gesamtüberleben und die Toxizität.
In der Intention-to-treat-Analyse betrug das PFS nach 48 Wochen im Arm A 29,5% (26 von 88 Patienten, 95%-Konfidenzintervall = CI: 20,0-39,1), im Arm B 35,7% (15 von 42 Patienten, CI: 21,2-50,2) und im Arm C 61,0% (25 von 41 Patienten, CI: 46,0-75,9). Das mediane PFS betrug 8,2 Monate (CI: 7,0-9,6) im Arm A, ebenfalls 8,2 Monate (CI: 5,5-11,7) in Arm B und 16,8 Monate (CI: 6,0-26,0) in Gruppe C.
Im Arm A beendeten mehr Patienten die Behandlung wegen anderer Gründe als Krankheitsprogress im Vergleich zu den Armen B und C (51% vs. 12% bzw. 38%). Im Arm A traten auch mehr schwere UAW (Grad 3 oder mehr) auf als in Arm B und C (77% vs. 60% bzw. 70%). Nach 14 Wochen kam es im Arm A zu zwei Todesfällen, die nicht im Zusammenhang mit der Grunderkrankung standen. In den beiden anderen Armen traten keine derartigen Todesfälle auf.
Die enttäuschenden Ergebnisse der TORAVA-Studie stimmen überein mit einer kürzlich publizierten Phase-II-Studie zur Kombination von Bevacizumab und Everolimus (Afinitor®; 4) sowie zwei im Jahr 2007 veröffentlichten Studien zu Kombinationen von Temsirolimus plus IFN alfa bzw. Bevacizumab plus Sunitinib (5, 6). Die auf biologischen Überlegungen basierende Hypothese einer additiven oder synergistischen Wirksamkeit neuer Wirkstoffe bei Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom konnte somit bisher nicht bestätigt werden.
Fazit: In einer französischen Phase-II-Studie zur Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms ergaben sich keine synergistischen oder additiven Effekte einer Kombinationstherapie mit Temsirolimus plus Bevacizumab. Die Toxizität dieses Therapieschemas war deutlich höher als erwartet und führte dazu, dass mehr als die Hälfte der Patienten die Therapie vorzeitig beenden mussten. Als Kontrollen dienten in dieser Studie medikamentöse Standardtherapien für die Erstlinientherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms, Sunitinib bzw. Bevacizumab kombiniert mit IFN alfa-2a. Erneut wird deutlich, dass dringend randomisierte kontrollierte Studien mit direkten Vergleichen (sog. „Head-to-head”-Studien) erforderlich sind, um die zahlreichen offenen Fragen zur rationalen Verordnung der neuen Arzneimittel beim fortgeschrittenen bzw. metastasierten Nierenzellkarzinom zu beantworten.
Literatur
- AMB 2011, 45, 45 ; AMB 2009, 43, 17.
- Négrier, S., et al.(TORAVA = Combination of temsirolimus and bevacizumab in patient with metastaticrenal cell carcinoma. TORisel®, AVAstin®):Lancet Oncol. 2011, 12, 673.
- AMB 2005, 39, 01.
- Hainsworth, J.D., et al.:J. Clin. Oncol. 2010, 28, 2131.
- Hudes, G., et al. (Global ARCC = Advanced Renal-CellCarcinoma trial): N.Engl. J. Med. 2007, 356, 2271.
- Medioni, J., et al.: Eur.Urol. 2009, 56, 207.
Schlagworte zum Artikel:
Bevacizumab, Nierenzellkarzinom, Temsirolimus, TORAVA-Studie,
Verlässliche Daten zu Arzneimitteln
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Metastasiertes Nierenzellkarzinom
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