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Interessenkonflikte in der SARS-CoV-2-Pandemie: Transparenz notwendig

Der investigative Journalist Paul D. Thacker hat bereits im letzten Jahr kritisiert, dass die Transparenz hinsichtlich der Interessenkonflikte von Beratern der britischen Regierung zur SARS-CoV-2-Pandemie mangelhaft ist (1). In einer neuen Untersuchung fokussiert er nun auf Interessenkonflikte durch finanzielle Verbindungen mit pharmazeutischen Unternehmern (pU) bei der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde (Food and Drug Administration = FDA) und dem britischen „Joint Committee on Vaccination and Immunisation“ (JCVI), das die Regierung zu Impfstoffen berät (2). Dabei zeigt sich, dass die Anforderungen der Institutionen teils erheblich differieren und Interessenkonflikte für die Öffentlichkeit nicht ausreichend transparent gemacht werden. So müssen die Berater der FDA und der JCVI Verbindungen zu pU nur aus den letzten 12 Monaten angeben. Standard ist eine Abfrage über die letzten 3 Jahre; dieser Zeitraum wird beispielsweise durch das „International Committee of Medical Journal Editors“ (ICMJE) abgefragt, einen Zusammenschluss der Herausgeber großer internationaler medizinischer Fachzeitschriften, und auch bei der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (3, 4). Außerdem wird beim JCVI nur nach Interessenkonflikten gefragt, die im Zusammenhang mit der Beratung stehen. Dagegen sollten Interessenkonflikte umfassend angegeben und ihre Relevanz dann von unabhängigen Personen bewertet werden. Darüber hinaus findet Thacker Diskrepanzen zwischen den deklarierten Interessenkonflikten bei der FDA und den Angaben, die bei „Open Payments“ dokumentiert sind, einem Programm in den USA, das der Öffentlichkeit einen detaillierten Einblick in alle Geldzahlungen oder Zuwendungen (≥ 10 US-$) der Industrie an Ärzte, andere Gesundheitsberufe und Lehrkrankenhäuser gibt (vgl. 5). Abweichend von den Angaben der FDA habe beispielsweise Arnold Monto, Vorsitzender der Ausschusssitzungen zu Impfstoffen, laut „Open Payments“ mehr als 24.000 US-$ von pU erhalten.

Thacker kritisiert auch Verbindungen zwischen führenden medizinischen Fachzeitschriften und der FDA: Der Herausgeber des N. Engl. J. Med., Eric Rubin, votierte in entsprechenden Gremien der FDA für die Zulassung der SARS-CoV-2-Impfstoffe von Pfizer, Moderna und Johnson & Johnson. Daten der Zulassungsstudien von allen drei Impfstoffen wurden im N. Engl. J. Med. veröffentlicht. Trotzdem deklarierte Eric Rubin keine Interessenkonflikte.

Bei der europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) ist das „Committee for Medicinal Products for Human Use“ (CHMP) für Empfehlungen zur Zulassung von Arzneimitteln verantwortlich (6). Interessenkonflikte von Mitgliedern des Ausschusses werden über einen Zeitraum von 3 Jahren abgefragt und sind auf der Website der EMA einsehbar.

In Deutschland verfasst die Ständige Impfkommission beim Robert Koch-Institut (STIKO) Empfehlungen zu Impfungen, die als medizinischer Standard gelten (7). Leitlinienwatch.de – das Transparenzportal für medizinische Behandlungsleitlinien – hat im Jahr 2020 die Empfehlungen der STIKO hinsichtlich der Interessenkonflikte ihrer Mitglieder bewertet (8). Nach Kritik in der Vergangenheit wurden Transparenz und der Umgang mit Interessenkonflikten bei der STIKO nun als gut beurteilt: Der Anteil der Mitglieder mit relevanten Interessenkonflikten (die als Ausschlusskriterium für Abstimmungen gelten) sei weiter zurückgegangen, der Entstehungsprozess der Empfehlungen transparent und durch ein umfangreiches Review mit den beteiligten Institutionen beispielhaft. Die Interessenkonflikte der STIKO-Mitglieder sind auf der Homepage des Robert Koch-Instituts veröffentlicht (9). Sie werden detailliert über einen langen Zeitraum von 6-10 Jahren vor der Berufung in die STIKO erfasst.

Bei der Leopoldina hingegen, die sich während der SARS-CoV-2-Pandemie wiederholt mit Empfehlungen zu Wort gemeldet hat, scheint hinsichtlich des Umgangs mit Interessenkonflikten noch Verbesserungsbedarf zu bestehen. So werden Interessenkonflikte nicht wie empfohlen in einzelnen Fragen erhoben und vor allem nicht veröffentlicht (10). Auch die Interessenkonflikte von Beratern der Bundesregierung zur Pandemie sind nicht transparent. Hier geht die Kritik aber deutlich weiter: Auch die Auswahl der Berater ist nur aus Laienmedien zu erfahren, die Kriterien für die Berücksichtigung oder Nicht-Berücksichtigung von Fachleuten sind undurchsichtig und Protokolle der Beratungen werden nicht veröffentlicht (11, 12).

Literatur

  1. Thacker, P.D.: BMJ 2020, 371, m4716. Link zur Quelle
  2. Thacker, P.D.: BMJ 2021, 373, n1283. Link zur Quelle
  3. http://www.icmje.org/disclosure-of-interest/ Link zur Quelle
  4. https://www.akdae.de/Kommission/Organisation/ Statuten/Interessenkonflikte/Unabhaengigkeit _Transparenz/index.html Link zur Quelle
  5. AMB 2019, 53, 96DB01. Link zur Quelle
  6. https://www.ema.europa.eu/en/committees/ committee-medicinal-products-human- use-chmp Link zur Quelle
  7. http://juris.bundesgerichtshof.de/ … Link zur Quelle
  8. https://www.leitlinienwatch.de/ empfehlungen-der-staendigen-impfkommission-2/ Link zur Quelle
  9. https://www.rki.de/ … Link zur Quelle
  10. https://www.leopoldina.org/ueber-uns/ueber-die -leopoldina/praesidium-und-gremien /regeln-fuer-den-umgang-mit-interessenkonflikten/ Link zur Quelle
  11. https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/ coronavirus-diese-sieben- fachleute-beraten-bundesregierung- und-laenderchefs-a-93abc4f5-cac1-4cbb-bc22- 8d3b9c623b28 Link zur Quelle
  12. https://www.nordbayern.de/politik/ wahlt-die-regierung-ihre-corona-berater- zu-einseitig-aus-1.10786152 Link zur Quelle