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Ein Totimpfstoff gegen Herpes zoster bei immunsupprimierten Patienten mit malignen Erkrankungen

Über die Wirksamkeit der Impfung mit dem Totimpfstoff V212 (Merck & Co Inc.) gegen Herpes zoster bei Patienten vor autologer Stammzelltransplantation haben wir im letzten Jahr berichtet (1). Dieser Impfstoff ist in Deutschland bisher nicht verfügbar. Patienten mit soliden Tumoren und hämatologischen Neoplasien haben durch die Erkrankung, oft aber auch durch die immunsuppressiv wirkende Therapie, ein erhöhtes Risiko für die Reaktivierung des Varicellen-Zoster-Virus, einschließlich der damit verbundenen Komplikationen wie die postherpetische Neuralgie (2-4). Es wäre ein großer Fortschritt, wenn eine gut verträgliche Impfung solche oft bereits schwerkranken Patienten vor Zoster und seinen Folgen schützen könnte. Kürzlich ist eine Studie zur Wirksamkeit dieses Impfstoffs bei immunsupprimierten Patienten mit soliden Tumoren sowie malignen hämatologischen Erkrankungen erschienen (5).

Studiendesign: Diese multizentrische, verblindete, randomisierte, plazebokontrollierte Phase-III-Studie wurde in 329 Zentren in 40 Ländern durchgeführt und von Merck & Co finanziert. Zwischen Juni 2011 und April 2017 wurden Erwachsene mit soliden Tumoren eingeschlossen, die eine Chemotherapie erhielten (n = 2.712), sowie Patienten mit hämatologischen Neoplasien, die entweder keine oder eine Chemotherapie erhielten (insgesamt n = 2.573). Sie mussten als Kind Windpocken gehabt bzw. Antikörper gegen das Varicellen-Zoster-Virus haben. Patienten, die innerhalb eines Jahres zuvor einen Zoster hatten, wurden ausgeschlossen. Die Randomisierung erfolgte 1:1. Patienten der einen Gruppe erhielten s.c. viermal, jeweils 0,5 ml des mit Gammastrahlen inaktivierten Zoster-Impfstoffs V212 (Stamm Oka, wie er im Lebendimpfstoff Zostavax® enthalten ist) im Abstand von etwa 30 Tagen, die Plazebogruppe entsprechende Injektionen mit dem Stabilisator der Vakzine ohne das virale Antigen. In der Gruppe mit soliden Tumoren und Chemotherapiezyklen erfolgten die Injektionen 5 Tage vor einem Zyklus. Der primäre Endpunkt war das Auftreten eines Zosters (Schmerzen, Hautmanifestation). Die Teilnehmer wurden aufgefordert, sich bei vermutetem Zoster bzw. vermuteten Nebenwirkungen (NW) beim Studienpersonal zu melden. Bei verdächtigen Zoster-Symptomen, beispielsweise Bläschen, wurde die Diagnose durch Nachweis von Zoster-DNA im Bläscheninhalt mittels PCR abgesichert.

Der ansonsten geplante monatliche Kontakt erfolgte per Telefon, Internet oder bei den festgelegten klinischen Visiten in der Nachbeobachtungsphase bis zu einem Jahr nach der letzten Impfdosis. NW wurden von den Patienten nach der 1. Impfung bis 28 Tage nach der 4. Impfung mit einer speziellen Reportkarte erfasst. Beginnend mit dem 4. Monat nach der letzten Impfdosis wurden Patienten alle 3 Monate bis zum Ende der Studie kontaktiert, mindestens aber ein Jahr. Ein wichtiger Sicherheitsendpunkt war das Auftreten schwerwiegender NW innerhalb von 28 Tagen nach der letzten Impfdosis. Zwischen Juni 2011 und April 2017 wurden insgesamt 5.286 Patienten eingeschlossen.

Ergebnisse: Patienten mit soliden Tumoren und Chemotherapie profitierten von der Impfung. Es entwickelten 22 von 1.328 geimpften Patienten (6,7 pro 1.000 Patientenjahre) einen Zoster, in der Plazebogruppe waren es 61 von 1.350 (18,5 pro 1.000 Patientenjahre). Die geschätzte Impfwirksamkeit lag bei 63,6% (95%-Konfidenzintervall = CI: 36,4-79,1) und erreichte damit das präspezifizierte Wirksamkeitskriterium. Auch mittlere bis schwere Schmerzen während des akuten Zosters waren in der Plazebogruppe häufiger als in der Impfgruppe (7 vs. 31).

Als schwerwiegend klassifizierte NW aller Art und Ursachen waren in der Impf- und Plazebogruppe gleich häufig. Sie traten bei 298 von 1.322 (22,5%) Patienten in der Impf- vs. 283 von 1.346 Patienten in der Plazebogruppe auf (Risiko-Differenz: 1,5%; CI: -1,7-4,6). Die direkt auf die Impfung zurückzuführenden schweren NW betrugen < 1% in beiden Gruppen. Lokale Reaktionen waren häufiger in der Verumgruppe. Die häufigsten Gründe für das Ausscheiden aus der Studie waren Abbruch durch die Patienten bzw. der Tod. Beide traten in beiden Gruppen gleich häufig auf.

Die Gruppe der Patienten mit hämatologischen Neoplasien (n = 2.573; noch unterteilt in leicht, moderat und stark immunkompromittiert) wurde wegen Unwirksamkeit der Impfung nach einer zuvor geplanten Interimsanalyse vorzeitig geschlossen. Die Wirksamkeit betrug 16,8% (CI: 17,8-41,3). Die impfbedingten NW waren in beiden Gruppen mit < 1% ebenfalls sehr selten.

Die Gründe für die Unwirksamkeit der Impfung bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien konnten in dieser Studie nicht geklärt werden. Zwar wurde eine zelluläre Immunantwort durch den Impfstoff nachgewiesen, doch war sie offenbar nicht ausreichend, die Reaktivierung der Zoster-Infektion signifikant zu reduzieren.

Fazit: Bei Patienten mit soliden Tumoren konnten vier Impfungen mit dem Totimpfstoff V212 gegen Herpes zoster – jeweils vor den Chemotherapiezyklen verabreicht – die Reaktivierung dieser Infektion deutlich verringern. Der Impfstoff erwies sich als gut verträglich. Bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien war der Impfstoff trotz nachgewiesener Immunantwort klinisch unwirksam.

Literatur

  1. AMB 2018, 52, 52a. Link zur Quelle
  2. Habel, L.A., et al.: Cancer Epidemiol. Biomarkers Prev. 2013, 22, 82. Link zur Quelle
  3. Johnson, B.H., et al.: BMC Infect. Dis. 2015, 15, 502. Link zur Quelle
  4. Mao, J., et al.: Medicine (Baltimore) 2017, 96, e8746. Link zur Quelle
  5. Mullane, K.M., et al.: Lancet Infect. Dis. 2019, 19, 1001. Link zur Quelle