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Intensivierte versus konventionelle Insulintherapie bei Diabetes mellitus in der Schwangerschaft

Die Morbidität von Feten und Neugeborenen von Frauen mit schlecht eingestelltem Diabetes ist, verglichen mit Nichtdiabetikerinnen, deutlich erhöht. Hauptkomplikationen sind Makrosomie, vermehrte perinatale Sterblichkeit, Hypoglykämien nach der Geburt, respiratorisches Distress-Syndrom, Polyglobulie, Hypokalziämie und Hyperbilirubinämie. Eine möglichst normoglykämische Blutzuckereinstellung während der Schwangerschaft wird deshalb schon seit langem gefordert. Diese läßt sich offensichtlich mit Hilfe der intensivierten Insulintherapie (zu den Mahlzeiten Normalinsulin und 1 mal oder 2 mal/d Verzögerungsinsulin) besser erzielen als mit der sog. konventionellen Insulintherapie (2 mal/d Mischinsulin). In Deutschland wird die konventionelle Insulintherapie während der Schwangerschaft, auch wenn eine Patientin bereits vor der Schwangerschaft so behandelt wurde, nicht mehr empfohlen. Z. Nachum et al. aus Israel (Brit. Med. J. 1999, 319, 1223) verglichen die konventionelle Insulintherapie mit der intensivierten Insulintherapie bei insgesamt 274 Frauen mit Gestationsdiabetes und bei insgesamt 118 Frauen mit präexistierendem Diabetes mellitus. Zielgrößen waren die glykämische Kontrolle, der HbA1C-Wert zur Zeit der Entbindung und die perinatale und neonatale Morbidität des Kindes. Jeweils etwa die Hälfte der Patientinnen jeder Gruppe wurde in folgende Behandlungsregime randomisiert:
1. Intensivierte Therapie: 3 mal zu den Mahlzeiten Normalinsulin (Actrapid) und zur Nacht humanes Verzögerungsinsulin (Insulatard)
2. Konventionelle Therapie: 2 mal am Tag eine Mischung aus Actrapid und Insulatard in der gleichen Spritze. Die Morgendosis betrug zwei Drittel, die Abenddosis ein Drittel der Gesamt-Tagesdosis von Insulin. Die Morgenspritze enthielt 33% Normalinsulin, die Abendspritze 50%.

Bei beiden Insulinregimen wurde nach entsprechender Schulung die Insulindosis den vor den Injektionen gemessenen Blutzuckerwerten angepaßt. Der Insulinverbrauch war in beiden Patientinnengruppen (Gestationsdiabetes bzw. präexistierender Diabetes) mit dem intensivierten Behandlungsschema um 22 bzw. 28 E/Tag höher als bei konventioneller Insulintherapie. Die mittleren Blutzucker- und die HbA1C-Werte waren im Durchschnitt bei intensivierter Therapie niedriger als bei konventioneller Therapie, ohne daß gefährliche Hypoglykämien häufiger waren. Die Häufigkeit von Kaiserschnitten, vorzeitigen Entbindungen, Makrosomie oder niedrigem Apgar-Index waren in beiden Behandlungsgruppen (intensiviert vs. konventionell) nicht signifikant unterschiedlich. Jedoch war die Morbidität der Neugeborenen von Frauen, die mit dem intensivierten Insulinschema behandelt wurden, niedriger. Insbesondere war die Zahl der Hypoglykämien bei intensivierter Therapie sehr gering: 0,7% vs. 5,9% bei Neonaten von Frauen mit Gestationsdiabetes und 3,4% vs. 20% bei Neonaten von Frauen mit präexistierendem Diabetes. Bei Kindern von Frauen mit Gestationsdiabetes war unter intensivierter Insulintherapie die Häufigkeit einer Hyperbilirubinämie nur 11% vs. 21% bei konventioneller Therapie. Insgesamt war die neonatale Morbidität bei Gestationsdiabetes unter intensivierter Therapie mit 17% vs. 29% in der konventionellen Therapiegruppe signifikant geringer.

Fazit: Die Studie bestätigt die derzeitige Empfehlung, den Blutzucker bei diabetischen Schwangeren möglichst im euglykämischen Bereich zu halten. Sie zeigt weiterhin, daß dies mit intensivierter Insulintherapie besser gelingt als mit konventioneller und sich im Hinblick auf die Morbidität des Neugeborenen auszahlt.